Sebastian Hannemann im Interview bei Outdoormind. Niederländische Touristen tummeln sich auf den Pisten, Helene Fischer dröhnt aus den Schirmbars und der Zillertaler-Schnee glitzert in der Frühlingssonne. Und genau hier mittendrin im Zillertal haben wir den deutschen Freerider Sebastian Hannemann zu einem Gespräch auf der Sonnenterasse getroffen. Der 27-jährige Augsburger ist gerade mit Midiafilm zum Filmen unterwegs und erzählt uns ein bisschen von sich und seinen kommenden Projekten.
Sebastian Hannemann im Interview
Hi Basti, erzähl uns doch kurz wie du dich und was du machst beschreiben würdest?
Hi, also im Endeffekt bin ich Freerider, d.h. ich bin viel im Tiefschnee unterwegs und suche möglichst viele unverspurte Lines und versuche mit meinen Freunden so viel Spaß wie möglich am Berg zu haben. Die letzten Jahre bin ich viele Wettkämpfe gefahren und in diesem Jahr bin ich unter anderem bei dem Filmprojekt Midiafilm, mit Michael Bernshausen, dabei.
Du bist mehrere Jahre bei der Freeride World Tour (FWT) vorne mitgefahren und warst 2011 im Overall-Ranking auf Platz 9. Leider hast du dich dann beim Filmen mit Legs of Steel verletzt und dir die Ferse gebrochen. Kannst du seitdem wieder so Skifahren wie zuvor oder fährst du jetzt anders?
Körperlich bin ich wieder 100prozentig fit und ich habe keine Schmerzen mehr in der Ferse, aber ich merke schon, dass ich nach meinem Sturz immer mehr nachdenke und mir über meine Lines mehr Gedanken mache. Das war vor meiner Verletzung nicht so, da bin ich dann doch ein bisschen vernünftiger geworden.
Hast du denn vor irgendwann wieder in die FWT einzusteigen?
Das Filmprojekt dieses Jahr hat mir total Spaß gemacht und ich war auch nicht so nervös, wie ich es bei den Wettkämpfen immer war. Zwar hat man vor einer Line natürlich immer Respekt, aber das ist nicht zu vergleichen. Generell möchte ich es aber nicht ausschließen, dass ich irgendwann einmal wieder bei der FWT starte, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Allerdings muss ich mich dafür auch erst wieder qualifizieren oder eine Wildcard bekommen. Und v.a. muss ich erst einmal wieder motiviert sein Wettkämpfe zu fahren. Ich war jetzt fünf Jahre lang im Wettkampfzirkus unterwegs und das hat jetzt erst einmal gereicht.
Zusammen mit Michael Bernshausen, Felix Wiemers und Roman Rohrmoser machst du ja das Filmprojekt Midiafilm. Was ist eure Idee dahinter?
Das Projekt gab es eigentlich letzten Winter schon. Michi und Felix kennen sich schon von zuhause, aus hessischer Zeit sozusagen und da haben sie letztes Jahr zusammen mit Roman das Projekt gestartet. Eigentlich bin ich diesen Winter mit aufgesprungen, weil man beim Filmen immer eine sehr entspannte Atmosphäre hat und da es sehr produktiv ist, weil wir im Winter alle im Zillertal stationiert sind und viel zusammen filmen können.
Zuerst bringt ihr ja das Ganze als Webisoden raus. Ist das zeitgemäßer, als ein herkömmlicher Film?
Die Idee mit den Webisoden hatte eigentlich der Michi. Aber auch für mich bietet sich das an, da ich so auch während der Saison Content produzieren kann und unsere Sachen im Gespräch bleiben. Das Projekt wird so bekannter und wenn man nur einen Film im Herbst raus bringt, fehlt für mich während des Winters die Kommunikation.
Soll dann auch ein klassischer Film im Herbst folgen?
Ja das auf jeden Fall. Der Film ist eigentlich die Hauptsache, aber wenn das Footage vorhanden ist, bieten sich die Webisoden einfach an, um die Leute auf dem Laufenden zu halten und um zu zeigen, was man während des Winters so treibt.
Wo kommt der Film denn raus oder wie wollt ihr ihn präsentieren?
Wie wir das machen, wissen wir noch nicht zu 100%. Mit freeskiers.net und der Skiing haben wir einige Medienpartner und Felix und ich konnten über die FWT auch viele Medienkontakte knüpfen. Auch die Mainstreammedien sind immer interessiert an neuem Material und wir können unsere Parts dann zum einen über diese Medien verbreiten, aber es wird auf jeden Fall auch eine Premierentour geben. Da kann es aber sein, dass wir uns auch irgendwo anschließen, aber zur Zeit ist das noch nicht sicher. Auf jeden Fall wird der Film aber frei zur Verfügung stehen.
Ihr habt euch ja auch der Freeski Crew angeschlossen, oder?
Ja das stimmt. Wir liefern ihnen einige Shots für ihren neuen Film und können so auch unsere Szenen dort unterbringen.
Mit der Zeit ändert sich ja nicht nur das Filmen, sondern auch das Skifahren an sich und das Level auf dem man sich bewegt. Die Grenzen werden immer weiter ausgelotet und es wird immer wieder Neues probiert. Was ist da beim Freeriden noch möglich und wo hört es für dich auf?
Ich glaube, es hört noch lange nicht auf. Wenn man sich in den letzten Jahren die FWT angeschaut hat, so konnte man beobachten, dass immer mehr Freestyle Tricks eingebaut werden. Das wird auch in Zukunft zunehmen. Aber trotzdem ist die Grundlage für eine gute Line immer noch eine flüssige, saubere Fahrt mit einigen Drops. Die Lines werden immer spektakulärer und riskanter. Da sollte aber dann jeder für sich selbst entscheiden, wie weit er gehen möchte. Im Freeriden stehen einem so viele Möglichkeiten offen. So hat man z.B auch dieses Jahr bei der FWT gesehen, dass man auch mit kreativen, flüssigen Lines ohne allzu viel Risiko gute Resultate erzielen kann.

Was sind deine größten Herausforderungen beim Freeriden?
Meine größten Herausforderungen sind z.B. beim Filmen ein passendes Gelände zu finden und dort die passende Line auszusuchen. Dann oben am Gipfel zu stehen und die Line exakt so zu fahren wie man sie geplant hat ist das Schwierigste in diesem Sport. Man sollte aber auch auf jeden Fall überzeugt sein von dem was man macht und seine Line mit Selbstvertrauen fahren, weil sonst geht das Ganze schnell schief.
Und wo holst du dir das Selbstvertrauen her?
Da es meine erste Saison ohne Wettkämpfe und mit eigenem Filmprojekt ist, habe ich es zu Beginn erst noch gemütlich angehen lassen. Wir haben schöne Shots gemacht mit vielen Landschaftsaufnahmen und auch ein paar Drops. Aber keine allzu spektakulären Aufnahmen zu Beginn. Aber als ich mit der Zeit gemerkt habe, dass ich mich gut fühle, konnte ich immer mehr Gas geben. So ist mein Selbstvertrauen immer mehr gewachsen und natürlich pushen einen auch die anderen Jungs dabei bestimmte Sachen zu fahren.
Ich habe gelesen, dass du dich mit Crossfit fit hältst. Warum das?
Im Endeffekt habe ich nach Beendigung meines Studiums einen Sport für die skifreien Sommermonate gesucht. Nach meiner Reha 2012 war ich z.B. ein Jahr lang nur im Kraftraum, aber da war ich mit der Zeit so frustriert und unmotiviert, da es immer das Gleiche ist. Und da ein Kumpel von mir aus Augsburg schon länger Crossfit macht, bin ich mit ihm mitgegangen und so eigentlich dazu gekommen. Ich glaube jeder der einmal Crossfit ausprobiert, wird dabei bleiben, das ist auch bei uns im Gym so. Zwar ist es während des Workouts eine wahnsinnige Quälerei, aber durch die Gruppengemeinschaft motiviert man sich ständig gegenseitig und nach einem Workout fühlt man sich immer blendend!
Und zum mentalen Ausgleich spielst du im Sommer Golf?
Ja, weil ich wirklich sagen muss, dass ich es nicht schaffen würde im Sommer noch eine Extremsportart zu betreiben. Außerdem sollte ich mich natürlich auch nicht verletzen, da mein Job im Endeffekt das Freeriden ist und ich im Winter auf meinen Körper angewiesen bin. Deshalb gehe ich das Ganze im Sommer lieber etwas entspannter an. Außerdem lernt man durch das Golfen auch viele psychische Tricks, z.B. wie man sich besser konzentriert oder wie man sich motiviert und ruhig bleibt auch wenn es einmal nicht so gut läuft, und im Golf läuft es bei mir nicht immer nach Plan (lacht). Das kann man dann auch auf das Skifahren übertragen, denn es gibt immer mal wieder Tage, an denen es nicht gut läuft, man viel stürzt oder man einfach Pech mit dem Wetter hat. Zum Beispiel hatten wir im Zillertal auch einige Tage, an denen Bluebird angesagt war und es dann in der Früh trotzdem noch zugezogen war. Wir haben unsere Sachen gepackt, sind mit dem ganzen Equipment hoch gefahren und als es mittags aufklarte, waren alle Lines bereits verspurt. Da muss man dann eben ruhig bleiben. Und beim Filmen ist es nun mal so, dass die Leute nur das Endergebnis mit dem bestem Powder und Bluebird zu sehen bekommen. Aber der Aufwand, der dahinter steckt, kommt meist nicht rüber. Um da das Ganze dann entspannt sehen zu können, helfen mir schon die mentalen Tricks, die ich beim Golfen gelernt habe.
Du kommst ja eigentlich aus dem alpinen Rennsport und bist im C/D-Kader des DSV gefahren. Profitierst du jetzt noch von deinen Rennzeiten?
Ja, total. Ohne diese ganze Rennlaufsache, wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Zuerst war ich zwar im Freestylebusiness unterwegs, aber die Rennausbildung merkt man auf jeden Fall und man profitiert davon, da man schon von Anfang an ordentlich auf dem Ski steht. Es gibt allerdings auch andere Fahrer, die diese Ausbildung nicht haben, aber die das mit viel Training und vielen Skitagen auch aufholen können.
Im Winter ist deine Homebase ja das Zillertal. Was macht es zu deinem Favorite-Spot?
Für mich ist es mein Favorite Spot, da ich hier schon seit Jahren bin und mich perfekt auskenne. Ich weiß immer wo man etwas machen kann, auch wenn die Bedingungen einmal schlecht sind und ich habe auch gemerkt, dass man da am besten fährt, wo man sich auskennt. Da hat man ein viel besseres Selbstvertrauen. Wenn ich z.B. irgendwo nach Kanada fliege, muss ich erst ewig scouten bis ich eine Line gefunden habe und dann fährt man auch nicht so sicher, weil einem die Erfahrung in dem Gebiet fehlt.
Hast du noch etwas auf deiner To-Do-Liste, das du unbedingt noch machen willst oder wo du unbedingt noch hin willst?
Rein filmtechnisch, hat der Michi immer gute Ideen, was sich noch umsetzen lassen kann. Da ich für die Wettkämpfe und für das Filmen bisher schon ziemlich viel rumgekommen bin und schon viel gesehen habe, sind demnächst keine größeren Reisen geplant. In Tirol gibt es noch so viele Lines, die ich noch gerne fahren würde und so viele Sachen, die man noch machen und filmen kann, da muss ich nicht unbedingt woanders hinreisen.

In Augsburg hast du Sport und Mathe auf Lehramt studiert. Kannst du dir nach deinem Freeski-Leben dann auch vorstellen ganz klassisch als Lehrer zu arbeiten?
Ja genau, ich habe Sport und … Mathe studiert (lacht). Aber ja definitiv. Ich hätte auch jetzt schon Lust als Lehrer zu arbeiten. Eigentlich überlege ich mir jeden Sommer, ob ich noch weitermachen soll, aber bis jetzt macht mir das mit der Skifahrerei noch viel zu viel Spaß. Es gibt natürlich immer Sachen, die mühsam sind, v.a. was die Verletzungsgefahr angeht, man wird schließlich auch älter und denkt mehr drüber nach. Aber früher oder später werde ich auf jeden Fall als Lehrer arbeiten.
Was sind deine nächsten Pläne?
Also ich war die letzten 4 Wochen eigentlich gar nicht zu Hause. Zuerst haben wir noch für unser Projekt gefilmt, dann stand ein Fotoshooting auf dem Programm. Mitte März gings dann für einen Uvex Film- und Fototrip nach Aspen, anschließend nach Verbier zum Finale der FWT für The North Face und dann bin ich in Cortina d´Ampezzo mit Blizzard. Samstag geht’s endlich mal wieder nach Hause (Augsburg) und ich werde mich dort ein paar Tage ausruhen. Im April steht noch einiges an, aber so einen genauen Plan habe ich mir noch nicht gemacht
Ganz klassisch, was sind deine last words?
Da sich der Roman (Rohrmoser) bei einem Filmtrip im Iran mit Time for the Whiteroom verletzt hat und für den Rest der Saison ausfällt, wünsche ich ihm Gute Besserung! Das wars (lacht).
Basti, vielen Dank für deine Zeit und wir wünschen dir noch das Beste für den Rest der Saison!
midiafilm FREERIDE WEBISODE PART III