24 Stunden von Bayern – der Name ist Programm: 2016 ließ das Wanderkultevent zum achten Mal 444 Wanderfreunde zusammenkommen, um die vielfältige Bergwelt Bayerns zu erklimmen. Outdoormind war dieses Jahr zum zweiten Mal dabei. Liz und Nico vom Redaktionsteam machten sich letztes Wochenende auf den Weg, um das 100 km südlich von München gelegene Karwendel und persönliche Grenzen neu zu entdecken.

Wandern im großen Format

Start 24 Stunden von Bayern

Wer am 24 Stunden von Bayern teilnehmen möchte, braucht nicht nur Kondition und gutes Schuhwerk, sondern auch etwas Glück. Denn aus den diesjährig 2.102 Bewerbern wurden 444 Teilnehmer ausgelost, die am 25.06.2016 vom Mittenwalder Marktplatz starten durften. Den Startschuss um 8.00 Uhr morgens gab niemand geringeres als die Biathlon-Weltmeisterin Magdalena Neuner, die selbst in der Karwendelregion aufgewachsen ist. Und dann ging’s los: Auf breiten Forstwegen über schmale Brücken und engen Bergpfaden – insgesamt 68 km Hauptstrecke wollten bewandert werden. Dabei unterteilte sich die Route in eine Tages- und eine Nachstrecke (29,3 km bzw. 38,7 km).

Von Klammgeistern, springenden Böcken und kleinen Königen

Klamm Wanderung 24 Stunden von Bayern

Mit Rucksack und Verpflegung gewappnet und der Sonne auf unserer Seite, machten wir uns also auf den Weg. Starthöhe: 911 m. Für uns war es erst einmal ungewöhnlich mit so vielen Menschen gleichzeitig los zu pilgern, wo wir sonst beim Wandern eher die Ruhe der Natur suchen. Zuerst ging es Richtung Leutascher Geisterklamm. Wer ein Problem mit Höhe hat, hat hier nichts zu suchen: Über einen 800 m langen und bis zu 75 m hohen Metallsteg schlängelten wir uns durch eine massive Felsschlucht; zu unseren Füßen das tosende Wasser als ständiger Begleiter. Klammgeister haben wir keine getroffen, dafür aber eine unglaubliche Aussicht auf das Karwendelgebirge genossen.

Und ehe wir uns versahen, waren wir schon in Österreich. Nach kurzer Rast bei Brot und Blasmusik im Berggasthof Ederkanzel zog es uns weiter auf schmalen Pfaden durch dichte Laubwälder. Konzentriert, nicht vom Weg abzukommen, schraken wir hoch, als uns etwas am Hang entgegen schoss – ein Gamsbock, der die Flucht nach vorn ergriff. Noch völlig fasziniert von der Begegnung, schauten wir nicht schlecht als uns bei der nächsten Abbiegung König Ludwig II erwartete. Die vor uns wandernden Dänen fragten mit einem Schmunzeln, was er denn hier mache, wo er doch angeblich im Starnberger See ertrunken sei. Vor etwa 145 Jahren muss sich der kleine König tatsächlich mit Vorliebe im Karwendel aufgehalten haben. Bei der Natur, kein Wunder! Kleine Anmerkung: Die komplette Wanderung ist mit unzähligen kleinen Ständen und Stationen gespickt, die einem Einblicke in das dort angesiedelte Handwerk, alten Traditionen, aber auch kulinarischer Gaumenfreuden gewährten. Es freute sich also nicht nur unser Leib, sondern auch unser Geist über das „Futter“, das wir auf dem Weg erhielten.

Ferchensee 24 Stunden von Bayern
Ferchensee (c) Outdoormind

Gegen Mittag taten sich vor uns die Berge auf und präsentierten – eingebettet in saftig-grünen Blumenwiesen – den funkelnden Ferchensee. Statt ins Wasser zu springen und uns wieder in die Wanderschuhe zwingen zu müssen, haben wir uns unsere Erfrischung in Form von gekühlten Getränken geholt, inkl. einer guten Portion Nudeln, um die Energietanks wieder aufzustocken.

Wandern der Superlative

Liz bei der 24 Stunden Wanderung von Bayern

Mittagsration und 11 km geschafft, 30 Grad und Sonne – wir waren bereit für die kommenden 18,5 km der Tagesstrecke. Und marschierten weiter über breite Forstwege entlang des Ferchenbachs. Die Höhenmeter sparten wir uns für den bevorstehenden Kranzberg auf. Bis dahin sollte der Weg ganz entspannt geradeaus verlaufen. Dort trafen wir übrigens auch die sympathischen Jungs von www.wandersuechtig.de.

Und plötzlich wichen die dichten Bäume einer weiten Blumenwiese, auf dem Schloss Elmau gebettet lag – ein imposantes Gebäude, das spätestens seit dem G7-Treffen 2015 jeder kennt. Mächtig beeindruckt von diesem märchenhaften Panorama, hätten wir fast die nächste Weggabelung verpasst. Die Ausschilderung holte sich aber schnell unsere Aufmerksamkeit: Wie jetzt, Fitnessstrecke? 9,9 km Extra. Es gibt Wanderer, die sollen diese Strecke tatsächlich mal eben gejoggt sein.

Wir entschieden uns lieber direkt für die Rechtsabbiegung, Kräfte wollten schließlich gespart werden! Und das nicht ohne Grund. Nicht nur, dass Liz gegen Hitze und Nachmittagstief kämpfte; es lagen auch noch 12 km Tagesstrecke vor uns. Und der Kranzberg. Gefühlt hatte sich auf dem Weg nach oben unser durchschnittliches Wandertempo von 5 km/h halbiert, ebenso wie unsere Stimmung. Die wurde erst wieder heller, als wir oben ankamen. Der Himmel jedoch nicht, an dem sich ein beachtliches Gewitter zusammenbraute.

…oder „Wie verhalte ich mich bei Gewitter?!“

Wir nahmen die Fersen in die Hand und machten uns schleunigst daran, wieder vom Berg zu kommen, bevor sich die dunklen Wolken direkt darüber entluden. Der Wille war da, das Gewitter war schneller. Thor schien uns die ganze Bandbreite seines Könnens unter Beweis stellen zu wollen: Sturm, Hagel und sintflutartiger Regen, der den Pfad entlang des Hangs zu einem Bach werden ließ. Für einen Moment ging die Welt unter. Und wir mittendrin. Aber wir fühlten uns lebendiger denn je. Nass bis auf die Knochen, doch dabei eins mit der Natur. Nach 3 km beruhigte sich der Himmel und ließ nur noch etwas Nieselregen herab. Wir waren dennoch froh, als wir es wieder nach Mittenwald geschafft haben. Denn die kalte Nässe, die uns umhüllte, zog mächtig an unseren Energiereserven.

Wenn es dunkel wird im Wald: die Nachtstrecke

Am Wandermarkplatz angekommen, durften wir uns mit den unterschiedlichsten regionalen Speisen stärken: Vom Brotzeitbrettl mit Kaas bis zum Schweinebraten, gab es alles, um sich für die bevorstehende Nachtwanderung zu rüsten.
Nach jeder Menge Essen und guten Gesprächen mit anderen Wanderern (nicht nur Dänen, auch Luxemburger waren angereist) gingen wir für eine Bestandsaufnahme unserer körperlichen Verfassung erst einmal aufs Hotelzimmer – nach dem Unwetter auch mehr als nötig. Liz hatte leider mit der einen oder anderen Lädierung an ihren Füßen zu kämpfen und sah sich vor ihrem geistigen Auge nur noch ins Bett wandern. Ich wollte mich auf jeden Fall noch an der Nachtstrecke versuchen. Nach einer warmen Dusche und einem Kleiderwechsel, war Liz plötzlich wieder am Start und wir konnten die Nachtstrecke doch noch zu zweit fortsetzen.

Der erste Abschnitt führte uns wieder zum Wandermarktplatz, an dem wir uns mit dem Shuttlebus zur Isarbrücke nach Krün haben fahren lassen. Sonst wären wir durch den Boxenstopp im Hotel zeitlich nicht hinterher gekommen. Manch einer mag den Shuttelbus mit einem Schmunzeln abwinken. Jedoch ist dieser eine feine und auch essentielle Sache. Wer auf der Strecke Probleme bekommt und deswegen „liegen bleibt“, wird eingesammelt und wieder zum Wandermarktplatz gefahren. Ebenso kann man auch einfach ein paar Stationen überspringen, um Kräfte zu sparen und so auch mit weniger guter Kondition bis zum Schluss dabei sein.

Tradition bei der 24 Stunden Wanderung von Bayern

An der Isarbrücke angekommen, begrüßte uns eine einmalige Atmosphäre: Nebelschwaden, die sich über die wilde Isar ausbreiteten und bis ins Tannendickicht krochen. Guter Dinge setzten wir unseren Weg fort, bergauf zum „Aussichtspavillon Krün“, wo wir von einer Bläsergruppe empfangen wurden. Auch an der Station war uns ein beeindruckendes Schauspiel zwischen Wolkendickicht und Sonnenuntergang gegeben. Apropos Bläsergruppe: Unzählige Stationen wurden von einheimischen Musikern bespielt – wir fragen uns noch heute, wie so viele ausfindig gemacht werden konnten. Wahnsinn, wie gut die gesamte Region ihre Traditionen präsentierte. Für uns ging es weiter entlang der wilden Isarlandschaft. Und wir waren mehr als glücklich, die Nachtstrecke doch noch angepackt zu haben. Das Panorama, das uns geboten wurde, war einfach unbeschreiblich.

Sonnenuntergang bei der 24 Stunden von Bayern Wanderung
Sonnenuntergang bei der 24 Stunden von Bayern Wanderung (c) Outdoormind

Angetrieben von der Aussicht wanderten wir weiter Richtung Isarsteg, wo schon die nächste Station auf uns wartete. Die Bergschule Alpenwelt Karwendel hat es möglich gemacht, dass man sich an einem Seil, selbst über die Isar ziehen konnte. Aufgrund der ein oder anderen Blessur und des Wasserpegels ließen wir dies aber aus. Wer wild genug war, konnte sich nach der „Flying Fox“ Aktion am nächsten Stand einen kleinen Schnaps abholen. Aber auch wir genehmigten uns einen kleinen Hollerlikör.

Isar mit Bergkulisse
Isar mit Bergkulisse (c) Outdoormind

Das Ende der Nachtwanderung – wenn sich die Füße quer stellen

Gestärkt für die nächste Etappe, machten wir uns auf Richtung Maxhütte, dem höchsten Punkt der Nachtstrecke. Die Dunkelheit hielt langsam aber sicher Einzug über dem Karwendelgebirge, sodass die Jungs und Mädels vom Golfclub Karwendel ihre Flutlichter für das Mondscheingolfen anwarfen. Kleine Snacks, leckere Getränke und lockere Gespräche luden zum Verweilen ein. Auf dem Parkplatz der Golfalm konnten wir noch eine Feuershow verfolgen – starke Nummer. Nachahmung Zuhause aber nicht empfohlen!
Dann hieß es Stirnlampen auf und an. Die Petzl Stirnlampen ließen uns nicht im Dunkeln tappen. Leider fiel Liz der Aufstieg zur Maxhütte immer schwerer. Die Füße meldeten sich zurück, der Schmerz wanderte bis ins Knie. Zwar erreichten wir die Maxhütte, aber kurz vor Mitternacht mussten wir die Segel streichen. Die Entscheidung fiel uns nicht leicht, aber erzwingen kann man leider auch nichts. Pünktlich zur Rast an der Maxhütte setzte dann auch der Regen ein. Unsere letzten Schritte brachten uns zur Shuttlebushaltestelle. Von dort aus ging es dann innerhalb kürzester Zeit zum Wandermarktplatz (nochmal dickes Danke an Bap).

Im Hotel angekommen ließen wir nach einer warmen Dusche noch einmal alles Revue passieren. Mit schweren Beinen und wohliger Zufriedenheit wanderten wir in den Schlaf. Na gut, nicht alles geschafft. Aber für das erste Mal? Gar nicht so schlecht, fast ein bisschen stolz. Man macht ja schließlich nicht alle Tage solche Wanderungen. Im Nachhinein fuchsen einen dennoch gewisse Dinge: Hätte ich vielleicht länger ausgehalten? Wie isst es, die Nacht durchzuwandern? Mit etwas Glück finden wir vielleicht nächstes Jahr in Bad Hindelang so manche Antwort.

Gut ausgerüstet ist halb gewandert: Vorbereitung für eine 24 Stunden Wanderung

Unsere Erfahrungen haben bestätigt, dass vernünftige Wanderschuhe und -socken das A und O sind. Eingelaufen sollen bzw. MÜSSEN diese zwingend sein. Ein zweites paar Schuhe, zum Beispiel Trekkingschuhe, sollte im Gepäck auch nicht fehlen. Gleiches gilt für Socken. Falls man wie wir, am Tag einmal komplett geduscht wird, braucht man ein zweites Outfit als Reserve. Eine leichte Soft- bzw. Hardshelljacke sollte zusätzlich mit an Bord sein. Auch Wanderstöcke zur Entlastung sind von Vorteil. Was die Verpflegung betrifft: Da man an unzähligen Stationen mit Getränken und Leckereien versorgt wird, sollte man sich den Rucksack nicht unnötig mit Reserven vollpacken. Denn jedes Gramm macht sich bemerkbar. Nur die Trinkflasche zum Auffüllen nicht vergessen. Und Platz für einen kleinen Riegel oder etwas Traubenzucker sollte ja immer gegeben sein. Was hingegen auf keinen Fall fehlen sollte sind Blasenflaster.

Die 24 Stunden von Bayern sind darauf ausgelegt, Grenzerfahrungen zu sammeln; ohne Stress, ohne Eile, ohne Hast. Einfach in Ruhe mit eigenem Tempo wandern. Was man schafft, das schafft man und was nicht, das eben nicht. Man soll die Natur leben, kennenlernen und sich gut fühlen. Druck gewinnen zu müssen ist hier Fehl am Platz: Am Ende des Tages (oder der Nacht) gehen alle als Sieger heraus. Mittenwald, Krün,Wallgau, wir kommen wieder! Wir sind begeistert von eurem tollen Zuhause und eurer Gastfreundlichkeit!

Autoren: Nico & Liz

In diesem Zuge möchten wir folgenden Beteiligten danken, die für einen reibungslosen Ablauf gesorgt haben: Marie von crystal communications, Diana und Julia von Bayern Tourismus sowie Sabrina, Judith und Andrea von der Alpenwelt Karwendel, Danke für die perfekte Organisation, das immer vor Ort sein, den bedingungslosen Einsatz und die unendlich positive Energie, die ihr verteilt habt.

Und nicht zuletzt Petzl, Camelbak und Sixtus für den Support. Klasse war auch das Hanwag Team, das nützliche Tipps fürs Wanderschuhe-Schnüren parat hatten (auch wenn euer Stand auf dem Kranzberg kurz vor dem Abflug war).